4-in-1 Perspektive

Arbeit nimmt im Globalen Norden und speziell in Deutschland einen zentralen Platz im Leben der meisten Menschen ein. Arbeit wird meist verkürzt auf Produktionsarbeit und genauer lohnabhängige Beschäftigung. Mit dieser Form von Arbeit ist eine starke gesellschaftliche Wertschätzung verbunden, so dass Produktionsarbeit für viele Menschen Selbstvergewisserung ebenso wie Selbstinszenierung ist. Die Kehrseite ist, dass andere Formen von Arbeit nur wenig anerkannt werden.

Die 4-in-1 Perspektive von Frigga Haug beschreibt vier Formen von menschlicher Tätigkeit:

  • Produktionsarbeit
  • Reproduktions-/Sorgearbeit
  • Kulturelle Arbeit/eigene Entwicklung
  • politische Arbeit

Durch diese Unterscheidung menschlicher Tätigkeiten ist es möglich zu analysieren, wie die Tätigkeiten auf verschiedene Personengruppen verteilt werden und wie manche Gruppen auch gänzlich von Tätigkeiten ausgeschlossen werden.
Die Teilnehmenden erarbeiten sich die vier Begriffe der 4-in-1 Perspektive in der und übernehmen die 4-in-1 Perspektive, um aus Sicht verschiedener Personengruppen zu analysieren wie viel Zeit sie jeweils auf einen der Bereiche verwenden und in welchem (zeitlichem) Verhältnis die vier Bereiche zueinander stehen. Abschließend wenden sie die 4-in-1 Perspektive auf ihr eigenes Leben an.

Thema
Die 4-in-1 Perspektive von Frigga Haug einnehmen und analysieren

Schlagwörter
Arbeit, Produktionsarbeit, Lohnarbeit, Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, Sorgearbeit, Kultur,
Politik, 4-in-1 Perspektive

Typ
analog

Dauer
75 Minuten

Gruppengröße
8 – 40

Raum
Seminarraum mit beweglichen Tischen und Stühlen

Lernziele

  • Die 4-in-1 Perspektive von Frigga Haug einnehmen und analysieren
  • Das Verständnis des Begriffs von Arbeit hinterfragen
  • Die Perspektiven von Arbeit im eigenen Leben reflektieren und ggf. ändern

Kompetenzen

  • Perspektivübernahme
  • Disziplinübergreifende Erkenntnisgewinnung
  • Umgang mit unvollständigen und überkomplexen Informationen
  • Bewältigung individueller Entscheidungsdilemmata
  • Reflexion auf Leitbilder
  • Moralisches Handeln
  • Unterstützung anderer

Lernformen
systemorientiert

Methoden
Kleingruppenarbeit, Soziometrie, Tafelbild

Material
Farbige Blätter (rot, gelb, grün, blau), Namenschilder (Kreppband + Marker), internetfähige Endgeräte der Teilnehmenden

Vorbereitung

Vorbereitung der Moderation

Inhaltliche Vorbereitung

Die Moderation erarbeitet sich die 4-in-1 Perspektive von Frigga Haug als Ganzes anhand der Literaturliste und erarbeitet sich die vier Begriffe Produktionsarbeit, Reproduktionsarbeit, kulturelle Arbeit und Politik wie sie von Frigga Haug genutzt werden. Dabei stellt sie sicher, dass sie nicht stillschweigend die alltägliche Bedeutung der Begriffe nutzt.

Vorbereitung des Materials

Die Moderation bereitet eine Powerpoint zur Präsentation vor und legt sie Papier und Stifte bereit.

Vorbereitung des Raums

Alle Tische werden an den Rand des Raumes geschoben und es wird ein Stuhlkreis aufgebaut.

Ablaufplan

00. Minute - Was ist Arbeit?

Zu Beginn sitzen sowohl Moderation als auch Teilnehmende im Stuhlkreis.
Die Moderation begrüßt die Teilnehmenden und bittet die sie in einer offenen Runde um eine spontane Definition des Begriffs „Arbeit“. Dabei soll soll es schnell gehen. Es muss sich nicht um eine allumfassende Lexikon-Definition handeln. Wichtig ist, dass herausgearbeitet wird, was die Gruppe unter dem Begriff “Arbeit” versteht. Die Teilnehmenden ergänzen sich dabei gegenseitig. Es stehen fünf Minuten zur Verfügung. Anschließend stellt die Moderation in wenigen Worten den Ablaufplan und die Lernziele des Bausteins vor.

10. Minute - Lektüre “4-in-1- Perspektive auf einer Seite”

Die Teilnehmenden lesen den Hintergrundtext 4-in-1 Perspektive nach Frigga Haug in Einzelarbeit. Dieser muss über die PowerPoint zugänglich gemacht werden.

20. Minute - Kurzvortrag - Begriffsarbeit

Die Moderation führt in zwei Sätzen die Person Frigga Haug ein. Danach wiederholt sie die Begriffe Produktionsarbeit, Reproduktionsarbeit, kulturelle Arbeit und Politik, wie sie von Frigga Haug genutzt werden. Aus dem Text kennen die Teilnehmenden die Begriffe, durch das gemeinsame Wiederholen stellt die Moderation eine ähnliche Wissensbasis für die Kleingruppenarbeit sicher. Es muss sichergestellt sein, dass der Kurzvortrag so kurz wie möglich gehalten wird.

Informationen für die PowerPoint

25. Minute - Soziometrie - 4-in-1-Perspektive im eigenen Leben

Die Teilnehmenden stehen auf. Vier Ecken oder Richtungen des Raumes stehen für jeweils einen Bereich der Arbeit nach Frigga Haug: Produktionsarbeit, Reproduktionsarbeit, kulturelle Arbeit und politische Arbeit Die Teilnehmenden beantworten die folgenden Fragen, indem sie sich in die entsprechende Antwort-Ecke /-Richtung begeben. Es muss keine eindeutige Zuordnung geben sondern kann dynamisch zwischen den Ecken erfolgen. Die Moderation legt fest, welche Raumecke zu welcher Arbeit gehört und stellt die folgenden
Fragen:

  • Mit welchem Bereich der Arbeit nach Frigga Haug verbringst du aktuell die meiste Zeit?
  • Mit welchem Bereich der Arbeit nach Frigga Haug würdest du gerne mehr Zeit verbringen?

Nach jeder Frage, lässt die Moderation den Teilnehmenden Zeit sich einzuordnen und fragt anschließend 1 - 3 Teilnehmende, warum sie sich so positioniert haben.

30. Minute - Gruppenarbeit - 4-in-1-Perspektive von gesellschaftlichen Gruppen

Die Teilnehmenden finden sich in 5er-Gruppen zusammen. Die Moderation teilt jeder Gruppe 2 bis 4
der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu bis alle vergeben sind:

Die Teilnehmenden nutzen die 4-in-1 Perspektive, um die Sichtweise der verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen zu übernehmen und diskutieren folgende Fragen innerhalb der Gruppen:

  • In welchem Bereich von 4-in-1 bewegt sich die Gruppe hauptsächlich?
  • Wie viel Macht hat diese Gruppe, sich ihre Zeit nach 4-in-1 einzuteilen?
  • Wie rechtfertigen wir als Gesellschaft, dass die Gruppe nicht in allen Bereichen tätig ist?
  • Wie ist eine andere Einteilung der Bereiche für diese Gruppe umsetzbar?

Daraufhin schreiben sie ihre Gesellschaftsgruppen jeweils auf ein entsprechendes farbiges Blatt:

  • Rot - Produktionsarbeit / Erwerbsarbeit
  • Gelb - Reproduktionsarbeit / Sorgearbeit / Verhältnis zur Natur
  • Grün - kulturelle Arbeit / eigene Entwicklung / Kreativität
  • Blau - politische Arbeit / Demokratie / politische Teilhabe
  • Farben beziehen sich auf die erste Frage

In der Zwischenzeit bereitet die Moderation das Tafelbild für das Zwischenfazit (Minute 43) vor. Dabei wird die Tafel in vier gleich große Bereiche unterteilt. Jeder Bereich wird mit einer Form der Arbeit der 4-in-1 Perspektive beschriftet.

43. Minute - Plenum - Zwischenfazit

Die Teilnehmenden tragen ihre Diskussion in der Großgruppe zusammen. Sie kleben ihre Gruppen an der Tafel in den Bereich, in dem sich die behandelte Gruppe hauptsächlich bewegt. Die Moderation achtet darauf, dass sowohl die vier Perspektiven als auch verschiedene Gruppen gleichermaßen betrachtet werden. Zudem muss auf die Zeit geachtet werden. Es gibt insgesamt nur 10 Minuten und alle Gruppen sollen zu Wort kommen.

55. Minute - Gruppenarbeit - 4-in-1-Perspektive umsetzen

Die Moderation teilt die Teilnehmenden in 5er-Gruppen - es können die gleichen Gruppen sein
oder auch unterschiedliche. Sie stellt kurz das Ziel der 4-in-1 Perspektive vor:

  • Eine Utopie aufzeigen
  • Widersprüche beseitigen
  • Gleichverteilung von Produktions-/ Sorge- und Reproduktionsarbeit sowie kultureller und politischer Arbeit

und bittet eine teilnehmende Person das Werkzeug Uhr zum Messen und Herrschen vorzulesen.
Die Teilnehmenden diskutieren in Kleingruppen und unter Berücksichtigung des Werkzeugs folgende Fragen:

  • Welche Gruppen werden bei einer Umsetzung der 4-in-1-Perspektive profitieren?
  • Welche Gruppen werden bei einer Umsetzung der 4-in-1-Perspektive leiden?
  • Wie ist eine gesamtgesellschaftliche Umsetzung der 4-in-1-Perspektive umsetzbar?

65. Minute - Plenum - Abschlussdiskussion

Die Teilnehmenden lösen die Gruppen auf und kommen in einem großen Stuhlkreis zusammen.
Sie diskutieren über das was ihnen auf dem Herzen liegt oder die folgenden Fragen:

  • Wünschst du dir eine Umsetzung der 4-in-1-Perspektive für dich persönlich?
  • Warum, warum nicht?
  • Wie unterscheidet sich Frigga Haugs Arbeitsdefinition von der momentan meist genutzten?
  • Wie passt die 4-in-1-Perspektive zu Schlagworten wie “Work-Life-Balance”, “Freizeitgesellschaft”, “Fully automated luxury communism”, “Spaßgesellschaft”?

73. Minute - Abschluss und Feedback

Die Moderation schließt den Baustein, bedankt sich für die Teilnahme und sammelt Feedback von den
Teilnehmenden.

Als Anregung fürs Lernjournal kann sie folgende Aufgabe zur Verfügung stellen:

Sucht euch einen Bereich von Arbeit der 4-in-1 Perspektive aus, in dem ihr gerne mehr Zeit verbringen wollt. Formuliert einen konkreten, umsetzbaren Vorsatz, der euch diesem Bereich näherbringt.

Optional: Reflektiert in eurem Lernjournal am Ende des Semesters (Abschlussreflexion), ob ihr den Vorsatz umsetzen konntet und ob er euch etwas gebracht hat.

z.B. Bereich: kulturelle Arbeit / eigene Entwicklung / Kreativität; Vorsatz: Jeden Sonntag etwas zeichnen/malen

Hinweise und Anmerkungen

Von den Verfasser_innen

Der Baustein wurde basierend auf dem digitalen Baustein zum gleichen Thema und den
Erfahrungen im Seminar an der HTW Berlin und der TU Berlin entwickelt.

Nach weiteren Durchführungen

Noch ausstehend.

Materialien

Hintergrundtext 4-in-1 Perspektive
Informationen für die PowerPoint
Arbeitsblätter: verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen
Werkzeugbeschreibung: Uhr zum Messen und Herrschen

Literaturhinweise und Quellen