Welche Technik wollen wir? - Konvivialistische Technikbewertung
Kurzbeschreibung
Betriebswirtschaftliche Erwägungen dominieren heute die Entscheidungen, welche Produkte auf Basis welcher Technik entwickelt und produziert werden. Nach welchen anderen Kriterien könnten solche Entscheidungen getroffen werden? Die Denkschule des Konvivialismus nach Ivan Illich und Andrea Vetter bietet einen Katalog von Dimensionen zur Bewertung von Technik an, die die Qualität des menschlichen Zusammenlebens in den Mittelpunkt stellen. In diesem Baustein wird eine Technik / Produktkategorie eurer Wahl nach diesen konvivialen Dimensionen untersucht und bewertet. Gleichzeitig werden die Bewertungskriterien reflektiert und mit anderen Kriterienkatalogen wie der VDI-Richtlinie 3780 zur Technikbewertung verglichen.
Thema
Technikbewertung nach Kriterien des Konvivialismus
Schlagwörter
Technik, Technikbewertung, Konvivialität
Typ
analog
Dauer
75 Minuten
Gruppengröße
10 - 30
Raum
Seminarraum mit beweglichen Tischen und Stühlen
Lernziele
- Wünsche zu technologischen Entwicklungen entwickeln und reflektieren
- Gesellschaftliche Entwicklung von Technik hinterfragen
- Gemeinsam Technik bewerten
Kompetenzen
- Umgang mit unvollständigen und überkomplexen Informationen
- Reflexion auf Leitbilder
Werkzeuge
Gewicht der Anforderungen, Zaubersteckdose des Simsalabim
Lernformen
kreativ und kooperativ
Methoden
Kleingruppenarbeit, Diskussion
Materialien
Kreppband, Papier, Stifte
Vor- und Nachbereitung
Vorbereitung der Moderation
Die Moderation nimmt sich etwa zwei Stunden, um sich mit dem Baustein und den Inhalten
auseinanderzusetzen. Sie bereitet die Präsentation vor und druckt die Arbeitsblätter aus / bittet die Tutorinnen die Blätter auszudrucken.
Ablaufplan
00. Minute - Einstieg und Ablauf
Die Aktivität beginnt mit einem Einstieg ins Thema mit der Frage: „Was für eine Technik wünscht ihr euch im Jahr 2030?“ Die Teilnehmenden werden beim Betreten des Raumes gebeten, sich ein Stichwort zu ihren Vorstellungen zu notieren. Die Frage ist bewusst offen gestellt, sodass als Antwort sowohl konkrete technische Erfindungen erträumt als auch allgemeinere Wünsche an die Zukunft der Technik benannt werden können. Dann werden die Vorschläge im Rahmen einer Aufstellung diskutiert: Die Moderation legt eine imaginäre Linie im Raum fest zwischen den beiden Polen „Finde ich auch super“ vs. „Das sehe ich ganz anders“. Dann stellen einzelne (oder alle) TN nacheinander ihre Vorstellungen zur Technik der Zukunft vor. Alle anderen positionieren sich auf der gedachten Linie dazu und können sich anschließend in einem kurzen Austausch zu ihrer Positionierung äußern.
15. Minute - Begriffserklärung konviviale Technik
Die Moderation erklärt kurz das Konzept der konvivialen Technik. Dafür steht eine Vorlage für eine kurze Präsentation zur Verfügung. Im Rahmen der Präsentation erläutert die Moderation auch die folgende Gruppenarbeit mit den Arbeitsblättern und moderiert den Beschluss für ein zu untersuchendes technisches Gerät.
Die Teilnehmenden einigen sich auf ein bereits existierendes technisches Gerät, das sie auf Konvivialität überprüfen wollen. Wichtig ist dabei, dass die Teilnehmenden einen Bezug zu dem ausgewählten Gerät haben und über ausreichend Wissen verfügen um die unterschiedlichen Dimensionen einschätzen zu können.
25. Minute - Gruppenarbeit zu Dimensionen
Die Teilnehmenden bilden fünf Gruppen an Gruppentischen, wobei jede Gruppe zu einer Dimension arbeitet. Jede Gruppe erhält ein ausgedrucktes Arbeitsblatt zu ihrer Dimension, sowie ein Blatt mit einer ausgefüllten Blume. Die Gruppen bearbeiten die Arbeitsblätter und tragen ihre Ergebnisse in das jeweilige Blütenblatt auf ihrer Blumenvorlage ein. Außerdem werden die Gruppen gebeten, zentrale Ergebnisse ihrer Gruppenphase auf max. fünf Moderationskarten in Stichpunkten festzuhalten.
Die Moderation malt eine große Version der Blume an die Tafel. Diese wird im Anschluss von den Teilnehmenden ausgefüllt.
45. Minute - Ergebnisse zusammentragen
Anschließend werden die Ergebnisse vorne auf der großen Blume zusammengetragen. Die Gruppen übertragen ihre Ergebnisse in die jeweiligen Blütenblätter und hängen ihre Stichwortkarten dazu an den Rand. Die Blume kann natürlich noch bunt oder grafisch gestaltet werden. Es gibt eine kurze Vorstellung der verschiedenen Dimensionen durch die Gruppen.
50. Minute - Abschlussdiskussion
Die Teilnehmenden setzen sich in einen Stuhlkreis und diskutieren ihre Ergebnisse und Ideen mit folgenden Leitfragen im Plenum:
- Was hat euch überrascht? Was habt ihr Neues gelernt? Wo wart ihr euch uneinig in den
Gruppen? - Ist die bearbeitete Technik eine konviviale Technik? Welche Möglichkeiten seht ihr, die
Konvivialität des Geräts zu erhöhen? - Welche Dimensionen haltet ihr für besonders relevant, welche nicht? Könnte man die
fünf Dimensionen stärker in die Bewertung und gesellschaftliche Steuerung von Technik
einbeziehen? Und wenn ja, wie? - Fehlen noch eurer Meinung nach noch Dimensionen? Wenn ja, welche?
Zwischendurch lesen sie gemeinsam folgende beiden Werkzeugtexte als Inspiration.
Gewicht der Anforderungen
Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz, aber ihre jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen haben ein ganz unterschiedliches Gewicht in Gestaltung von Technik und Gesellschaft.
Es werden meist nur wenige Anforderungen explizit beachtet und diese stammen in der Regel von Menschen, die die Technik nutzen, sie entwickeln oder durch sie einen Gewinn einstreichen. In die Gestaltung von Technik sind jedoch alle Menschen mit einzubeziehen, die von ihrem Einsatz, Herstellung etc. betroffen sein könnten, auch wenn sie ganz unterschiedliche, teils gegensätzliche Anforderungen einbringen, wie z.B. die Bewahrung der Natur oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen.
Zaubersteckdose des Simsalabim
Wie ein Kaninchen aus dem Zylinder, kommt Strom aus der Wand, Wasser aus dem Hahn, Schnitzel aus dem Supermarkt und und und … mit einem Schnipp ist es wieder weg und bestens entsorgt.
Wir leben in einem Schlaraffenland in dem uns nicht nur gebratene Hühnchen in die offenen Münder fliegen, sondern wirklich alles immer verfügbar, griffbereit und auf Befehl erhältlich ist - Zahlungskräftigkeit vorausgesetzt. Woher das alles kommt und wohin es nach Gebrauch entschwindet, wird gut kaschiert, aber die sozialen und ökologischen Katastrophen die mit diesem komplexen (Wert-)Schöpfungssystem einhergehen, zeigen auf, dass unser Schlaraffenland kein Paradies auf Erden ist, sondern wir die Erde zu einer Hölle gemacht haben.
62. Minute - Abschlussdiskussion Teil 2 - Zukunftsvisionen
Die Moderation erweitert die Plenumsdiskussion um folgende Fragen:
- Wie würden eure Zukunftsvisionen aus der Einstiegsübung abschneiden?
- Sind eure Zukunftsvisionen konviviale Technik? Welche Möglichkeiten seht ihr, die
Konvivialität des Geräts zu erhöhen? - Wie könnt ihr die Zukunft der Technik konvivial mitgestalten? Worauf sollte geachtet
werden?
72. Minute - Feedback und Abschluss
Die Moderation schließt die Diskussion, sammelt Feedback von den Teilnehmenden und verliest die Inspiration zum Lernjournal.
- Wie verhält sich die genutzte Methode der (Blume für konviviale Technik) im Vergleich zu anderen
Methoden der Technikbewertung? - Schaut euch die offizielle VDI Richtlinie 3780 zu Technikbewertung an
- Was stellt ihr beim Vergleich der Methoden zur Technikbewertung fest?
Hinweise und Anmerkungen
Von den Verfasser_innen
Der eigentliche Baustein wurde von Andrea Vetter entwickelt, wurde hier allerdings leicht gekürzt und an anderen Stellen angepasst oder erweitert. Das Original ist in den Quellen verlinkt.
Die aktuelle Version wurde an die Offline-Nutzung (ohne Forum) angepasst.
Nach weiteren Durchführungen
Es bietet sich an, bei Minute 15 bereits eine Auswahl diverser Geräte anzubieten um Ausschweifen zu unterbinden.